2 2 0 2 S U M E C O D S E L L E U T K A 4 JENS BRÜGMANN: „EGAL, IN WELCHER POSITION MAN ARBEITET – DIE VERBESSERUNG DER ARBEITS - QUALITÄT IST EIN ANDAUERNDER PROZESS FÜR ALLE.“ Wir blicken erstmals seit zwei Jahren auf ein vergleichs- weise „normales“ Schuljahr zurück. Wie empfanden Sie als Geschäftsführer die vergangenen Monate? Jens Brügmann: Es war ein sehr intensives Jahr. Wir haben an zwei unserer Standorte zu Beginn des Schul- jahres bewusst auf einen direkten Einstieg in den Regel- unterricht verzichtet, sondern pandemiebedingt einen dies zu erreichen, haben wir das Programm für Querein- steiger komplett überarbeitet und neu aufgesetzt. Feder- führend war dabei Torsten Gärtner, der für die Leitung der Schulentwicklung zuständig ist. Gemeinsam mit ihm arbeiteten unsere beiden Coaches, Sabine Willer und Joachim Kallenberg, an einer Revision unseres bisherigen Konzepts. Diese Planungen hatten selbstverständlich anderen Ansatz gewählt. Es war uns wichtig, das soziale einen längeren Vorlauf. An den Standorten haben wir in Gefüge, das durch die Schulschließungen vielerorts weg- der Durchsetzung bedarfsgerecht unterschiedliche Ziele gebrochen ist, wiederherzustellen. priorisiert und erreicht. Unsere Schwerpunkte in diesem Schuljahr lagen deshalb auf der sozialpädagogischen Arbeit mit unseren Schülern und der Steige- rung der Unterrichtsqualität. Die Ausrichtung nach innen war, zumindest in diesem Ausmaß, ein Novum für uns. In den letzten 18 Jahren haben wir als Geschäftsführung vor allem die äußeren Entwicklungsprozesse wie den Ausbau vorhandener Standorte, die Etablierung neuer Schulstandorte und He- Seit der Mitarbeiterversammlung sind nun knapp 10 Monate vergangen, in denen an der Umsetzung dieser Ziele gearbeitet wurde. Wie sieht Ihr erstes Resümee aus? Welche standortspezifischen Unterschiede wur- den umgesetzt? Wir haben Zusammenkünfte der Geschäftsführung mit den sozialpädagogischen Teams an den einzelnen Stand- orten realisiert, um die Herausforderungen, die mit ge- samtgesellschaftlichem Wandel, aber auch den konkre- ten Widrigkeiten der Pandemie zusammenhängen, zu besprechen und Lösungen zu suchen. In Neu Zittau gab es ein Treffen von Geschäftsführung, dem sozialpädago- gischen Team und der Lehrerschaft, um sich gegenseitig für die aktuellen Problemlagen zu sensibilisieren, die sich ausdehnen. Das sind Probleme, bei denen wir davon aus- gehen, dass sie auch in ihrer Intensität nicht von allein rausforderungen wie die ersten Abschlussjahrgänge be- verschwinden werden. Wir haben es mit vielfältiger wer- arbeitet und vorangetrieben. Diese Prozesse sind so weit abgeschlossen, dass wir keine größeren offenen Punkte mehr zu verzeichnen haben. Alle Schulen sind vollstän- dig ausgebaut, haben mindestens einen Abschlussjahr- gang hinter sich. Ein neuer Standort ist aus verschiede- nen Gründen aktuell nicht zu realisieren, weshalb wir unseren Fokus komplett auf die Arbeit nach innen richten können. Dabei stehen die soziale Arbeit mit dem Schüler und die Weiterentwicklung der Unterrichtsqualität im Mittelpunkt. Auf der Mitarbeiterversammlung im letzten Jahr wur- den diese beiden zentralen Aufgaben auch der Be- legschaft mitgeteilt. Wie viel Vorarbeit seitens der Geschäftsführung gab es im Vorlauf zu dieser ersten öffentlichen Verkündung? Egal, in welcher Position man arbeitet – die Verbesse- rung der Arbeitsqualität ist ein andauernder Prozess für denden Facetten zu tun, die nicht unbedingt in der Schule entstehen, aber von den Familien oder dem gesellschaft- lichen Umfeld durch unsere Schüler mit in die Schule ge- bracht werden. Damit müssen wir uns zwangsläufig aus- einandersetzen, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen. Um diese Themen kreiste auch die Diskussion beim pä- dagogischen Wochenende der Belegschaft aus Grünhei- de. Auch dort kam im gemeinsamen Gespräch klar zum Vorschein, dass wir andere Wege der Arbeit mit den Schü- lerinnen und Schülern finden und noch sensibler mit in- dividuellen Problemen umgehen müssen. In Blumberg fanden zwei pädagogische Tage mit den Schwerpunkten Erziehung und Bindungsarbeit statt. Dabei ging es so- wohl um die Bindung der Schüler zur Schule als auch die Bindung zueinander in den sozialen Konstrukten Klasse und Schule. Wir haben es in diesem Bereich also flächen- deckend mit einer immer größeren Notwendigkeit, noch intensiver zu arbeiten, zu tun. Damit wurde das Thema alle. Dazu haben wir die Situation, dass sich besonders für uns automatisch zur Priorität – denn all das bildet die neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unsere Sys- teme und Philosophien einarbeiten und eingearbeitet werden müssen, um unsere Vision von guter Bildung auch in die Klassenräume tragen zu können. Im Lehrer- bereich stehen wir außerdem vor der Herausforderung, Seiteneinsteiger auch didaktisch gut auszustatten. Um Grundlage, auf Basis derer hochwertiger Fachunterricht erst durchführbar wird. Rückblickend bin ich mit den Ent- wicklungen der letzten Monate sehr zufrieden und freue mich darauf, was wir in Zukunft noch umsetzen. Die sozialpädagogische Arbeit und die Unterrichtsqua- lität nennen Sie immer wieder in einem Atemzug. Gibt es eine Wechselwirkung zwischen diesen Bereichen? Das eine ist die Grundlage des Anderen. Guter Unterricht ist nicht möglich, wenn es keine gefestigte Sozialstruktur in der Klasse gibt. Ansonsten bleibt es Vermittlung von Stoff, die an sich keinen Wert darstellt – jedenfalls nicht nach unserem Konzept. Wir haben diese Diskussion auch schon sehr umfangreich mit einzelnen Vertretern der Elternschaft geführt. Auch dort beharre ich auf diesem Standpunkt: Vermittlung von Stoff hat, isoliert betrach- tet, keinen Wert. Entscheidend ist nicht, was ich als Lehrer behandelt habe, sondern was davon beim Schüler ankommt. Damit Schüler aufnahmebereit sind, müssen die Voraus- setzungen in puncto Unterrichts- und Klassenatmosphä- re stimmen. Manchmal ist es dann wichtiger, mit Schü- lern spazieren zu gehen und ihnen zuzuhören und herauszufinden, was sie bewegt, als Deutsch, Mathe oder Physik zu unterrichten. In diesem Zusammenhang ist uns vollkommen klar, dass wir nicht Fächer unterrichten, um krampfhaft einen Lehrplan abzuarbeiten, sondern dass Kinder und Jugendliche im Fokus unseres Schaffens ste- hen. Der Erziehungsaspekt steht an erster Stelle – daraus leitet sich alles andere ab. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, eine entsprechende Klassen- und Sozial- struktur herrscht, erreichen wir auch fachlich in unseren Unterrichtsstunden viel, viel mehr. Aufgrund der Unter- schiedlichkeit einzelner Klassen und Altersstufen bedarf es viel Fingerspitzengefühl, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. All das zusammen macht den Job des Lehrers so anspruchsvoll, aber auch erfüllend. Wie ist die Resonanz der Eltern, wenn Sie diese Stand- punkte und Zusammenhänge darlegen? Von Applaus bis zu klarer Ablehnung ist das ganze Spek- trum an Reaktionen vertreten. Wir müssen noch viel, viel klarer kommunizieren, was wir tun und was wir nicht tun, und welche Erwartungen wir erfüllen und welche wir nicht erfüllen wollen – obwohl wir es könnten. Es gibt Eltern, die treten mit vollkommen falschen Erwartungen an unsere Schulen heran. Es gibt für jedes Kind und jede Familie die richtige Schule. Wer die Auffassung vertritt, dass ein lehrplangerechter Unterricht an einer Schule erste Priorität haben sollte, ist bei uns schlichtweg falsch. Dafür gibt es andere Schulen. Eine Äußerung aus einem