0 2 0 2 S U M E C O D S E L L E U T K A 4 JENS BRÜGMANN: „UNSERE SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER SOLLEN GUT GERÜSTET SEIN“ I n te r vi e w J E N S B R Ü G M A N N M I T Herr Brügmann, was bedeutet Allgemeinbildung für Sie und welchen Stellenwert hat sie im Konzept der Docemus Privatschulen? Jens Brügmann: Allgemeinbildung meint zunächst die breitestmögliche Bildung ohne Spezialisierung, etwa hern. Die vergleichsweise geringe Kursauswahl in der Se- kundarstufe II an unseren Schulen ergibt sich ja schon aus dem Konzept, wenn wir wollen, dass sich das Bildungsan- Soweit wir können, versuchen wir daher auch uns am ge Hindernisse, wenn es um den Wechsel zwischen ein- Gymnasium dem Unterricht im Klassenverband anzunä- zelnen Schulformen geht. Diese Möglichkeit innerhalb auf eine bestimmte Fachrichtung. Diesen ganzheitlichen gebot im gleichen Jahrgang nicht unterscheidet. Ansatz verfolgen wir mit unserem Konzept, verstehen Bildung aber auch im Sinne von Persönlichkeitsbildung und -entwicklung und nicht nur auf den Schulunterricht bezogen. Wir erfüllen einen Erziehungs- und Bildungsauftrag und das sage ich bewusst in dieser Reihenfolge, da es nur so funktioniert. Erziehung heißt dann vor allem Begeiste- rung – dass die Schülerinnen und Schüler bereit sind, das Bildungsangebot anzunehmen. Außerdem legen wir gro- ßen Wert auf ein soziales Miteinander und respektvolles Verhalten. Das heißt konkret, dass sich Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler grüßen, die Tür aufhalten und gegenseitig helfen. Immer wieder fordern Initiativen und Verbände die Einführung bestimmter Schulfächer, wie zum Beispiel Wirtschaft oder Politik. In Bayern wurde über Alltags- kompetenz als eigenes Fach diskutiert. Die Idee dahin- ter ist immer: Die Schule bereitet zu wenig aufs echte Leben vor, die Schüler lernen nicht, wie man etwa eine Steuererklärung ausfüllt, ein Konto eröffnet oder wo rauf man bei einem Mietvertrag achten soll. Sollten die- se Themen Teil der Schulbildung sein? Nicht alles, was Kinder lernen, liegt in unserem Verant- wortungsbereich. Viele Dinge lernen sie außerhalb der Schule, gerade, was den Alltag und dessen Organisation betrifft. Zu vermitteln, wie man mit Geld umgeht bei- spielsweise, sehe ich ganz klar als Aufgabe der Eltern. Dass unsere Schulen, und dazu zähle ich auch die zwei- Denn zum einen hätten wir sonst eine Verlagerung der jährige Fachoberschule, allgemeinbildende Schulen ohne Spezialisierung sind, heißt auch, dass alle Schüle- rinnen und Schüler das gleiche Angebot bekommen, das nur nach Jahrgangsstufe und vielleicht dem Bildungsweg abgewandelt ist. Wenn Sie frei entscheiden und sich eine Unterrichts- form aussuchen könnten, welche wäre das? Wenn wir die freie Wahl hätten, gäbe es an unseren Schulen Unterricht im Klassenverband bis zum Abitur mit fester Stundentafel ohne die Aufteilung der Schü- ler in einzelne Kurse. Denn für uns beginnt die Spezia- lisierung erst nach der allgemeinbildenden Schule. Wir sehen die Aufgabe von MSA und Abitur nicht darin, auf einen bestimmten Beruf vorzubereiten. Vielmehr wollen wir, dass unsere Schülerinnen und Schüler zu Eine breite Allgemeinbildung ist ein wichtiges Fundament allseits gebildeten Menschen werden, die gut gerüstet sind – unabhängig davon, welchen Weg sie einschla- gen und was sie nach dem Schulabschluss machen. Die Berufswelt verändert sich mittlerweile so schnell, die Lebenswege sind vielfältiger und wir wissen momen- tan gar nicht, was auf die junge Generation von heute einmal zukommt. Kaum jemand übt einen Beruf sein ganzes Leben lang aus, manche Berufsfelder entstehen Erziehung komplett in die Schule, wo doch der Schwer- punkt eigentlich bei den Eltern liegt, die das Recht haben, ihre Kinder nach ihren eigenen Maßstäben zu erziehen. Diese elterliche Verantwortung darf ihnen niemand neh- men. Wir als Bildungsträger mit humanistischem Profil kommunizieren unsere Ziele und die Eltern entscheiden, ob diese zu ihren eigenen Wertevorstellungen passen und sie damit d’accord gehen. Zum anderen würden wir den Schülerinnen und Schülern wertvolle Teile an Bildung vorenthalten, wenn wir The- men wie die Steuererklärung mit in den Lehrplan aufneh- men. Die Zeit und die Unterrichtsinhalte sind ja begrenzt und da müssten wir an anderer Stelle kürzen. Viele Eltern fühlen sich unter Druck gesetzt, den rich- tigen Bildungsweg für ihr Kind auszuwählen und sind besorgt, bereits bei der Grundschule eine falsche Ent- scheidung zu treffen. Was raten Sie den Eltern und auch den Kindern? Auch meine Frau und ich kennen diese Sorgen um die Wahl der richtigen Schulform und können sie daher gut nachvollziehen. Die Entscheidung für einen Bildungs- weg ist eine schwierige, da die oft beschriebene Durch- lässigkeit in vielen Fällen einfach nicht existiert und der Wechsel von einer Schule an eine andere mit steigendem Jahrgang schwerer wird. Zumal das auch oft heißt, dass sich mit einem anderen Schulweg, einer neuen Klasse und neuen Lehrkräften das komplette schulische Umfeld ändert. erst noch, andere verschwinden – gerade deshalb ist Hier sehe ich ja auch einen ganz großen Vorteil unserer eine breite Allgemeinbildung, wie wir sie verstehen, ein Campus-Standorte: Bei bis zu drei Bildungswegen gibt eines Campus gibt es sonst kaum. An unseren Schulen bleibt das Umfeld erhalten, die Schüler wechseln nur die Klasse. Und so stehen ab der 7. Klasse allen Möglich- keiten offen, einen studienberechtigten Abschluss zu machen. Ein anderes Problem, wenn es um die elterlichen Sorgen geht, sehe ich darin, dass an vielen Grundschulen die Oberschule als zweitklassiger Bildungsweg vermittelt wird und dadurch schon bei einigen Heranwachsenden das Gefühl entsteht, nur so etwas wie „zweite Wahl“ zu sein. Dem müssen wir unbedingt entgegensteuern, da- mit daraus keine selbsterfüllende Prophezeiung wird. Alle bekommen das gleiche Bildungsangebot Bei uns gibt es keine Schülerinnen und Schüler zweiter Klasse, alle bekommen das gleiche Bildungsangebot, wie es unserer Auffassung von Allgemeinbildung entspricht. Ihre Idee von allseits gebildeten Menschen lag auch den verschiedenen Konzeptfächern zugrunde, die es an den Docemus Privatschulen gibt? Ganz genau. Die Konzeptfächer tragen auch unsere Vor- stellung von humanistischer Bildung – wobei Humanis- mus sich auf die antiken Denkschulen bezieht, nicht so sehr auf den Neuhumanismus nach Humboldt. Das Fach Altertumskunde zeigt, woher wir als Gesellschaft kom- men und behandelt unter anderem die Grundlagen von Staatsaufbau und Demokratie. Genau aus diesem Grund gibt es an unseren Schulen Lateinunterricht, der es den Schülern ermöglicht, die Schriften antiker Autoren im Original zu lesen. Auch das Fach Rhetorik hat seine Wur- zeln in der Antike, wo es eng mit einem ganzheitlichen Bildungsideal verbunden war. Als praktische Umsetzung unseres Konzepts haben wir Soziales und Bürgerschaftliches Engagement in den Fä- cherkanon mit aufgenommen. Hier sollen die Schülerin- nen und Schüler lernen, selbst Verantwortung zu über- nehmen und sich als wertvollen Teil der Gesellschaft zu verstehen, die auf Zusammenarbeit und Zusammenhalt angewiesen ist und dafür viele unterschiedliche Talente braucht. Polyästhetik gibt es an unseren Oberschulen, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass gerade dort der künst- lerisch-kreative Ansatz oft vernachlässigt wird und weni- ger präsent ist als am Gymnasium. Da wollten wir einfach wichtiges Fundament. es eine hohe Durchlässigkeit, also strukturell sehr gerin- einen Kontrapunkt setzen.